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Achillesfersen – mein Thema

Voranschreiten, loslaufen, den Absprung schaffen. Füße und Unterschenkel sind dafür da, uns im Leben das Weiterkommen zu ermöglichen – körperlich, im übertragenen Sinne aber auch geistig-seelisch.

 

Die Fersen stehen dabei symbolisch für unsere Schwachstelle. Achill wurde seinerzeit an der Ferse gehalten, als man ihn in den Fluss der Unsterblichkeit getunkt hat – sprich, diese Stelle blieb als einzige verwundbar.

 

Meine Schwäche ist die Selbst-Ablehnung und der damit verbundene Widerstand gegen alles, was an Anforderungen an mich gestellt wird. Ich sagte NEIN zu mir selbst – de facto ein Todesurteil. Um zu überleben, wähnte ich mich darauf angewiesen, dass mein Umfeld mir erlaubt, da zu sein. Und gegen diese fatale Fehl-Einschätzung rebellierte stets mein Inneres.

 

Ein Leben lang war ich der Überzeugung, nicht erwünscht zu sein und daher stets damit beschäftigt, es anderen recht zu machen, um mein Dasein zu rechtfertigen. In unserer Leistungsgesellschaft geht das ansatzweise, wenn man tut, was von einem erwartet wird, wenn man sich anstrengt, eigene Bedürfnisse zurückstellt, durchhält und sich ständig selbst verbessert. Aber es wird niemals reichen, ich kann niemals gut genug sein, solange ich mir selbst nicht genug bin.

 

Parallel dazu tobten in mir unstillbarer Trotz und Bockigkeit gegen all diese scheinbar von außen auferlegten Zwänge und Forderungen. Ich wollte NICHTS davon und tat alles widerwillig – wurde manchmal dann doch vom Spaß an einer Sache überrascht, verfolgte sie aber nie freiwillig weiter. Die Dinge, die ich für mich tat, blieben auch bei mir, fest unter Verschluss und mit dem Etikett „Nicht wichtig, nur schön!“ versehen.

 

Da ich auf der seelischen Ebene nicht erreichbar war, sprach schließlich mein Körper zu mir. Mit Anfang 20 riss mir die Achillessehne links und beendete meine Badminton-Karriere. Eine tiefgreifende Veränderung in meinem Leben. Fortan entzündete sich bei jedem Versuch, erneut intensiv Sport zu betreiben meine Sehne. Immer wieder wurde ich ausgebremst und zum Umdenken gezwungen: „Nein, du bist nicht dein Sport und dir darüber Selbstbestätigung zu holen ist unverändert der falsche Weg.“

 

Heute sind es beide Fersen, die beim Tennis lauthals aufschreien und endlich, endlich höre ich zu. Wieder lenkt der Körper meine Aufmerksamkeit auf den schwächsten Punkt, mahnt an, anstelle der Achillessehnen lieber die inneren Grenzen auszudehnen, den Mut zu haben, die eigenen Sehnsüchte zu leben. Und plötzlich ist da etwas unendlich Wertvolles, das ich mir in den vergangenen rund sechs Jahren Bewusstseinsarbeit härter und sogar freiwillig erarbeitet habe als jemals irgendetwas zuvor: meine Selbst-Annahme! Das JA zu mir selbst und die uneingeschränkte Erlaubnis, da sein zu dürfen, so sein zu dürfen, wie ich gerade bin.

 

Hurra, klingt nach ‚alles in Butter‘, ist aber leider schwieriger, als vermutet. Wer nie mit sich selbst in Kontakt war, gefühlt nie etwas aus eigenem Antrieb und alles nur widerwillig getan hat, der steht feste auf dem Schlauch, wenn die Frage im Raum steht:

„Was willst du?“

„Äh, keine Ahnung. Was muss ich denn wollen?“ Autsch!

 

Die Kiste mit dem „Nicht wichtig, nur schön!“ ist erstmal das Einzige, was ich habe. Plus natürlich all die Dinge, die ich vermeintlich zwangslernte. Alles zusammen ein ganz ordentliches Portfolio, dem es nun endlich erlaubt ist, sich zu entfalten. Knitterfalten, verdrehte, verklebte und verknotete Stellen inklusive. Dankenswerterweise lehrte mich die Bewusstseinsarbeit sehr nachhaltig eine tiefgehende, schonungslos ehrliche Selbstreflexion und damit die Fähigkeit, das Knäuel zu entwirren.

 

Ach ja, und ich bin zäh, echt gut im Durchhalten 😉

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Kommentare: 1
  • #1

    Nicole Preiter (Mittwoch, 09 Februar 2022 18:01)

    So schön geschrieben und wie wahr, auch in Sicht auf mich ����